Immersive Technologien — Von AR, VR & XR zu Spatial Computing – eine Begriffsreise

News, 24.03.2025

Die Entwicklung immersiver Technologien schreitet mit großen Schritten voran und mit ihr wächst die Vielfalt an Begriffen, die von verschiedenen Marktteilnehmenden geprägt und strategisch eingesetzt werden. Dabei entstehen teils neue Konzepte, teils handelt es sich um Rebrandings bestehender Technologien, um sich von der Konkurrenz abzuheben.

Die Fokusgruppe Immersive Experiences im BVDW hat es sich zur Aufgabe gemacht, den technologischen Wandel einzuordnen und Brücken zu bauen. Ziel ist es, eine klare und sachliche Orientierung inmitten des Marktgeschehens zu bieten. In dieser Begriffsreise werfen wir daher einen Blick darauf, wo diese Begriffe ihren Ursprung haben, welche Unternehmen eigene Termini etablieren und wie sie sich dadurch im Wettbewerb positionieren. Zudem betrachten wir, welche Begriffe sich bis heute durchgesetzt haben, definieren sie und erklären ihre Bedeutung für die XR-Welt.

Die dynamische Welt der XR-Begriffe

Die Entwicklung von immersiven Technologien im Jahr 2025 weist Parallelen zur PC-Industrie der 1980er Jahre auf, allerdings weniger im Bereich der Betriebssysteme als vielmehr in der Standardisierung der Hardware-Schnittstellen. Damals war es das lizenzierbare, IBM-kompatible BIOS, das es Drittanbietern ermöglichte, eigene IBM-kompatible Computer zu entwickeln. Dies führte zu einer offenen Hardware-Plattform, die sich gegen proprietäre Systeme durchsetzen. Ein ähnlicher Standardisierungsprozess könnte nun in der XR-Welt stattfinden.

Während Apple mit VisionOS und dem Vision Pro ein geschlossenes High-End-Ökosystem verfolgt, setzt Meta mit der Quest 3 und Horizon OS auf ein massentaugliches Modell mit starkem Preis-Leistungs-Verhältnis. Samsung und Google hingegen gehen mit ihrem für Mitte 2025 erwarteten XR-Headset und dem offenen Android XR OS einen neuen Weg. Hierbei geht es nicht darum, KI in das Betriebssystem zu integrieren, sondern vielmehr darum, dass Android XR den bislang stark fragmentierten Smartglass-Markt (mit Herstellern wie Nreal, Halliday Glasses, Rokid, Even Realities G und TCLs RayNeo X3) vereinen könnte. Anstatt dass jeder Hersteller sein eigenes Betriebssystem und Ökosystem entwickelt, bietet Android XR die Chance, eine einheitliche Plattform für alle nicht-Apple- und nicht-Meta-Geräte zu schaffen.

Diese Entwicklung könnte dazu führen, dass sich ein offenes XR-Ökosystem ähnlich etabliert wie der PC-Markt nach der Standardisierung des IBM-kompatiblen BIOS. Durch eine lizenzierbare und herstellerübergreifende Basis könnten verschiedene Unternehmen eigene Geräte auf einer gemeinsamen Plattform entwickeln, was die Verbreitung immersiver Technologien erheblich beschleunigen könnte.

Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) sind längst keine unbekannten Begriffe mehr. Doch seit dem Launch der Apple Vision Pro rückt ein neues Schlagwort immer stärker in den Fokus: Spatial Computing. Gleichzeitig spricht Meta von Mixed Reality Experiences. Doch was verbirgt sich eigentlich hinter diesen Begriffen? Wo liegen die Unterschiede, und wie hängen sie zusammen?

Angesichts der zunehmenden Konkurrenz durch Android XR und des steigenden Drucks auf etablierte Anbieter bei den Verkaufszahlen zeigt sich ein bekanntes Muster aus dem Smartphone-Markt: Unternehmen etablieren eigene Begriffe und Markennamen für bestehende Standards, um sich abzuheben und Exklusivität zu suggerieren.

Dieser Trend unterstreicht die Notwendigkeit klarer Begriffsdefinitionen, um Verwirrung zu vermeiden und Transparenz für Nutzer zu schaffen. Wir bringen Licht ins Dunkel und sorgen für Klarheit in der Welt der immersiven Technologien.

Das Reality-Virtuality-Kontinuum: Ein Blick zurück ins Jahr 1994

Um die verschiedenen Begriffe zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück ins Jahr 1994. Damals entwickelten die Forscher Paul Milgram und Fumio Kishino ein Konzept, das ein Spektrum zwischen der physischen Realität und einer vollständig virtuellen Umgebung abbildet – das sogenannte Reality-Virtuality-Kontinuum.

Dieses Kontinuum beginnt auf der einen Seite mit der physischen Realität, also der unveränderten, realen Welt. Am anderen Ende des Spektrums befindet sich die Virtual Reality (VR), eine komplett computergenerierte Umgebung, in die Nutzer*innen vollständig eintauchen können. Dazwischen liegen zwei weitere Begriffe: Augmented Reality (AR) und Augmented Virtuality (AV).

Augmented Reality: Die digitale Erweiterung der Realität

Augmented Reality beschreibt digitale Inhalte, die in die reale Welt projiziert werden. Die Wurzeln von AR reichen bis in die 1960er Jahre zurück. Damals wurden Head-Up-Displays entwickelt, um Pilot*innen wichtige Informationen direkt in ihrem Sichtfeld anzuzeigen. Ein Meilenstein war das erste Head-Mounted-Display, das 1968 von Ivan Sutherland entwickelt wurde. Es legte einfache computergenerierte Grafiken über die reale Welt und setzte damit den Grundstein für moderne AR-Technologien.

Augmented Virtuality: Die reale Welt in der virtuellen Umgebung

Weniger bekannt ist der Begriff Augmented Virtuality (AV). Er beschreibt Situationen, in denen eine primär virtuelle Umgebung mit realen Elementen angereichert wird. Ein Beispiel sind frühe Telepräsenz-Systeme. Sie nutzten Kameras, um reale Personen oder Objekte in eine virtuelle Umgebung zu integrieren. Das Reality-Virtuality-Kontinuum verdeutlicht, dass die Grenzen zwischen der physischen und der digitalen Welt nicht binär, sondern fließend sind.

Mixed Reality: Die Verschmelzung von Realität und Virtualität

Milgram und Kishino prägten auch den Begriff Mixed Reality (MR), um den gesamten Bereich zu beschreiben, in dem reale und virtuelle Elemente miteinander interagieren. Seit den 2010er Jahren wird der Begriff jedoch breiter genutzt, um die Kombination von realer und virtueller Welt zu beschreiben. Hier existieren beide Elemente nicht nur nebeneinander, sondern beeinflussen sich gegenseitig.

In einer Mixed-Reality-Umgebung kann ich einen virtuellen Ball greifen, ihn gegen eine echte Wand werfen und beobachten, wie er abprallt. Oder ich platziere ein virtuelles Objekt in meinem Raum und dessen Reflexionen sowie der Schattenwurf passen sich den realen Lichtquellen an. MR geht damit über reine Augmented Reality hinaus, da die virtuellen Elemente nicht nur die reale Welt überlagern, sondern aktiv mit ihr interagieren.

Extended Reality: Der übergeordnete Begriff

Mit der zunehmenden Verschmelzung von AR, VR und MR wurde der Begriff Extended Reality (XR) populär. XR fungiert als übergeordnete Kategorie, die alle Formen der überlagerten und virtuellen Realitäten zusammenfasst – alles, was unsere physische Realität erweitert (englisch: extends).

Spatial Computing: Die nächste Stufe der digitalen Interaktion

Spacial Computing geht über das Reality-Virtuality-Kontinuum hinaus. Der Begriff beschreibt nicht nur die Verschmelzung von Realität und Virtualität, sondern läutet eine neue Ära der Interaktion mit digitalen Umgebungen ein.

„Computing“ bezeichnet den Prozess der Datenverarbeitung und Informationstechnologie. Spatial Computing nutzt räumliche Wahrnehmung, natürliche Eingabemethoden wie Sprache und Gesten, sensorische Eingaben und Künstliche Intelligenz. Damit wird Nutzer*innen eine intuitive Interaktion in einem dreidimensionalen Interface ermöglicht. Es ist gewissermaßen die nächste Stufe nach dem dem Desktop Computing in den 1980er Jahren und dem Mobile Computing in den 2000er Jahren, das durch Touchscreens, GPS und Bewegungssensoren geprägt wurde.

Spatial Computing eröffnet völlig neue Möglichkeiten in Bereichen wie Arbeitswelten, Bildung, Kunst und Unterhaltung. Es löst die Grenzen zwischen physischer und digitaler Welt weiter auf und hebt digitale Erfahrungen auf ein nächstes Level.

Immersion: Das Eintauchen in digitale Welten

Alle diese Technologien – ob AR, VR, MR oder Spatial Computing – werden oft unter dem Oberbegriff Immersive Technologien zusammengefasst. Doch was bedeutet eigentlich Immersion?

Immersion beschreibt das Eintauchen in eine mediale oder virtuelle Umgebung, bei dem die Grenze zwischen Realität und Inszenierung verschwimmt. In den Medienwissenschaften wird Immersion als ein intensives, oft emotionales Erleben von Inhalten verstanden. In der Psychologie spricht man vom Flow-Zustand, in dem Menschen durch Fokussierung und Zeitverlust vollständig in eine Tätigkeit eintauchen.

Immersion ist grundsätzlich geräteunabhängig, doch immersive Technologien verstärken dieses Gefühl erheblich. Sie schaffen visuelle und haptische Erlebnisse, die den Nutzer*innen direkt in die digitale Welt eintauchen lassen und so das Potenzial haben, unsere Wahrnehmung von Realität nachhaltig zu verändern. Kurz: Immersive Experiences.

Alle Begriffserklärungen in  Kürze

Augmented Reality (AR): Digitale Inhalte werden in die reale Welt projiziert und ergänzt.

Augmented Virtuality (AV): Eine primär virtuelle Umgebung wird mit realen Elementen ergänzt.

Mixed Reality (MR): Kombination von realen und virtuellen Elementen, die miteinander interagieren können.

Virtual Reality (VR): Eine vollständig computergenerierte, immersive Welt, in die Nutzer*innen eintauchen.

Extended Reality (XR): Oberbegriff für alle erweiterten und virtuellen Realitäten (AR, AV, MR, VR).

Spatial Computing: Nutzung räumlicher Wahrnehmung und natürlicher Eingabemethoden (Sprache, Gesten), um in dreidimensionalen digitalen Räumen zu interagieren.

Immersion: Das Eintauchen in eine mediale oder virtuelle Umgebung, bei dem die Grenze zwischen Realität und Inszenierung verschwindet.

Autor*innen:

  • Lea Pahne, Head of Strategy, Demodern & stv. Lableiterin Lab Immersive Technologies in der Fokusgruppe Immersive Experiences
  • Andreas Günter, Senior Consultant Mobile Strategy & Projects bei Ströer Media Solutions & stv. Vorsitzender der Fokusgruppe Immersive Experiences

Kontakt

Katharina Jäger
Leiterin Innovation & Technology
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