Forderungen Europawahl 2024 — Daten – Kreativität – Verantwortung. Das ist, was uns als Verband leitet.
Daten – Kreativität – Verantwortung
Das ist, was uns als Verband leitet. Wir, der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V., sind die Interessenvertretung für Unternehmen, die digitale Geschäftsmodelle betreiben oder deren Wertschöpfung auf dem Einsatz digitaler Technologien beruht. Mit unseren Mitgliedern gestalten wir schon heute die Zukunft der digitalen Welt. Damit dies gelingt, braucht es klare, faire und innovationsfreundliche Rahmenbedingungen – insbesondere auch aus und für Europa.
Die letzte EU-Legislaturperiode war geprägt von einer hohen Aktivität im Bereich der Digitalpolitik. DMA, DSA, Data Act, AI Act und weitere Initiativen vergrößern zunehmend das europäische regulatorische „Wimmelbild“. Die kommende Legislatur wird insbesondere für die Umsetzung und Anwendung entscheidend sein. Etwa für unseren Umgang mit Schlüsseltechnologien, digitaler Infrastruktur, Souveränität, Datennutzung und vielem mehr. Es wird eine Legislatur voller Potenziale und Chancen sein, wenn wir konsistent und konsequent vorgehen. Für die Digitale Wirtschaft sind dafür folgende Prämissen elementar:
- Datenverfügbarkeit, -nutzung und -interoperabilität stärken.
- Datenschutz und -nutzung in eine gute Balance bringen.
- Das Internet als Ort für alle durch passende Finanzierungsmodelle aufrechterhalten.
- Potenziale digitaler Technologien zur Erreichung der Klimaziele nutzen.
- Daten-, Digital- und Medienkompetenzen durch Fördermittel stärken.
- Das regulatorische Wimmelbild der Regulierung schrittweise auflösen.
- Wettbewerbsfähigkeit erhalten und Entbürokratisierung voranbringen.
1. Daten nutzen und Interoperabilität stärken
Die Verfügbarkeit, Nutzung und Interoperabilität von Daten sind zentrale Voraussetzungen für einen wettbewerbsfähigen sowie innovativen Digital– und Wirtschaftsstandort Europa. Daten sind der Schlüssel, um zentrale Zukunftstechnologien wie im Bereich der Künstlichen Intelligenz weiterentwickeln und ausbauen zu können. Auch als Gesellschaft helfen uns Daten tagtäglich – sei es in der Vermeidung von Staus durch Verkehrs-Apps, bei der Gesundheitsvorsorge durch Fitnessdaten auf der Smartwatch oder durch IoT-Daten zur Bewältigung der grünen Transformation. Die enormen Potenziale können allerdings nur genutzt werden, wenn möglichst viele daran partizipieren und Daten auch verfügbar und nutzbar gemacht werden. Der EU Data Act ist dafür ein wichtiger Bestandteil. Dieser muss allerdings einen einheitlichen wie auch praxisorientierten Rechtsrahmen darstellen und darf nicht zu weiterer Rechtsunsicherheit durch etwaige Widersprüche oder Unklarheiten mit beispielsweise der Datenschutzgesetzgebung führen. In Europa stoßen wir jedoch auf Hürden, was einheitliche Standards angeht, die uns oftmals hemmen und nicht befähigen. Hier müssen sich Wirtschaft und Politik bewegen. Für die kommende EU-Legislaturperiode sollte deshalb das Credo lauten: Daten und deren Nutzung müssen endlich in den Mittelpunkt der Wirtschafts- und Digitalpolitik rücken. Denn ohne eine Fülle und Vielfalt an Datenquellen bleibt etwa der Traum von „KI made in Germany“ nur ein ferner Wunsch und auch die Twin-Transformation gerät dadurch ins Stocken.
2. Datenschutz muss Innovation ermöglichen
Datenschutz ist ein wichtiges Grundrecht. Dabei gilt es stets, die richtige Balance zwischen der Einhaltung der informationellen Selbstbestimmung und der notwendigen Ausweitung von Datenzugang und –nutzung zu finden. Dabei sind Datenschutz und Datennutzung zwei Seiten derselben Medaille: Ein wirksamer Datenschutz schafft Räume für Datenaustausch und –nutzung. Dabei ist mit einem Blick auf Geschäftsmodelle allerdings festzustellen, dass der Datenschutz zunehmend als falsch interpretiertes „Supergrundrecht“ verstanden wird. Insbesondere in der nationalen Anwendung wird er missbräuchlich dafür verwendet, um zunehmend Kämpfe im Verbraucherschutz oder dem Wettbewerbsrecht auszufechten. Datenschutz darf nicht als Ausrede dafür verwendet werden, bestimmte Prozesse nicht zu innovieren. Daher muss der Datenschutz in Einklang mit anderen Grundrechten gebracht werden. Es zeigt sich also, dass eine Anpassung des Datenschutzes notwendig ist. Dabei müssen zum einen Verantwortlichkeiten trennscharf definiert werden. Es braucht klare Zuständigkeiten und eine bessere Um- und Durchsetzung der DSGVO. Zum anderen soll der Datenschutz die Interessen der Bürger*innen beachten. Mehr Informationen zur Verfügung zu stellen, führt nicht automatisch zu einem besseren Informationsverständnis. Hier braucht es eine Debatte über die Art und Weise der Informationsvermittlung. Gleichzeitig brauchen wir aber ein neues Verständnis von Daten und deren Nutzung. Sie sind nicht nur für digitale Geschäftsmodelle und die digitale Wirtschaft entscheidend, sondern auch von essenzieller Bedeutung für unsere Gesellschaft. Hier wünschen wir uns eine bessere Begleitung der Um- und Durchsetzung des Datenschutzes aus Brüssel, vor allem in Einklang mit den Auswirkungen der weiteren digitalen Gesetzgebungen.
3. Das Internet als frei zugänglichen Ort für alle erhalten
Der Grundgedanke des Internets war, einen Ort für alle zu schaffen. Mit Kreativität entstehen hier Innovationen und Lösungen in jeglichen Bereichen. Die daraus resultierenden Dienste und Angebote tragen zum Wirtschaftswachstum und gesellschaftlichen Wohlstand bei. Dabei bleiben Refinanzierungsmöglichkeiten für diese essenziell. Kein Dienst, kein Angebot und keine Website lassen sich kostenfrei betreiben. Mithilfe von geeigneten Finanzierungsmöglichkeiten wird aktuell unter anderem die Medienvielfalt und der Zugang zu Informationen sichergestellt. Dies ist in vielerlei Hinsicht elementar, vor allem aber ist es demokratiesichernd und -fördernd. Daher fordern wir eine Besinnung auf Maß und Mitte ein. Damit auch zukünftig digitale Dienste, Angebote und Inhalte zur Verfügung stehen können, muss Rechtssicherheit sichergestellt werden. Dafür ist zum einen eine Konsolidierung der Gesetze notwendig. Zum anderen drängen wir auf die konsequente Berücksichtigung der Zuständigkeiten innerhalb der Aufsicht. Unternehmen müssen innerhalb der geltenden gesetzlichen Vorschriften selbst entscheiden dürfen, wie sie ihre Angebote refinanzieren. Die EU hat hier eine Verantwortung gegenüber Kreativen, Kultur- und Medienschaffenden und der gesamten Digitalen Wirtschaft.
4. Klimaziele erreichen – dank digitaler Technologie
Der Umwelt- und Klimaschutz ist und wird auf absehbare Zeit eine der zentralen Menschheitsaufgaben sein. Daten, Digitalisierung und Technologie bieten enorme Potenziale, um die gesetzten Klimaziele zu erreichen. Mithilfe von Daten werden Mobilität und Logistik effizienter und emissionsärmer. Digitale Technologien reduzieren den Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft und den Wasserverbrauch bei der industriellen Produktion. Digitalisierung sichert Lieferketten durch vorhersehbare Wartungsarbeiten. Diese Potenziale muss die EU in der kommenden Legislatur stärker hervorheben und fördern. Regulierung muss möglichst innovationsoffen gestaltet werden, weitere Experimentierräume ermöglichen und Anreize für Investitionen in Technologien stärken. Dazu zählen ebenfalls neue Förderprogramme für innovative digitale Lösungen zur Bekämpfung des Klimawandels. Nur so nutzen wir Daten und Technologien für den Klima- und Umweltschutz vollumfänglich im Interesse zukünftiger Generationen.
5. Digitale Kompetenz fördert die Demokratie
Daten-, Digital– und Medienkompetenzen zu fördern, ist für uns als Gesellschaft essenziell. Aus unserer Sicht war, ist und wird Datenkompetenz auch in Zukunft eine Schlüsselqualifikation sein. Dabei geht es um die Fähigkeit, Daten analysieren und interpretieren zu können, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Für den Einzelnen heißt das zum Beispiel zu verstehen, welche Tools welche Ergebnisse liefern, oder weshalb Tools die Ergebnisse liefern, die sie liefern. Für die Gesellschaft ermöglicht Datenkompetenz, globale Herausforderungen besser zu meistern, resilienter und unabhängiger zu werden. Zusammen mit einer guten Digital- und Medienkompetenz führt dies schließlich zu einem besseren Verständnis der digitalen Welt. Dies alles fördert eine offene Demokratie und Gesellschaft sowie eine leistungsfähige Wirtschaft. Damit Demokratie offline wie online funktioniert, ist die (Weiter-)Bildung der Bürger*innen in diesem Feld elementar und sollte entsprechend von der EU gefördert und eingefordert werden. Etwaige Programme sollten in enger Abstimmung mit relevanten Stakeholdern wie der Digitalen Wirtschaft und der Zivilgesellschaft aufgesetzt werden, um eine möglichst breite Expertise einfließen zu lassen und damit bestmögliche Ergebnisse erzielen zu können. Dies wird auch förderlich für eine diverse Gesellschaft und vielfältige Digitale Wirtschaft sein.
6. Umsetzung und Durchführung praxisnah gestalten
Durch zahlreiche neue Gesetze ist das Wimmelbild in der Digitalpolitik kontinuierlich größer geworden. Regulatorische Vorgaben überlappen oder doppeln sich teilweise. Die damit verbundene Rechtsunsicherheit und Rechtsunklarheit steigen kontinuierlich. Eine entscheidende Stellschraube für die Innovationsförderung der nächsten Jahre wird es sein, einen zukunftsfähigen Rechtsrahmen für sich stetig weiterentwickelnde digitale Technologien zu schaffen. Dafür sind Gesetze zu konsolidieren, zu vereinheitlichen und zu vereinfachen. Gleichzeitig braucht es eine neue Art der Gesetzgebung, die anpassungsfähig und nachjustierbar ist. Nur so wird es möglich sein, in Europa als attraktiven, innovativen und wettbewerbsfähigen Standort zu erhalten. Insbesondere der Motor der europäischen Wirtschaft, der Mittelstand, wird unverhältnismäßig stark belastet. Dies beobachten wir in sämtlichen Politikbereichen – von Haftungsregeln über Rechtsvorschriften bis zum Verbraucherschutz. Der Fokus sollte deshalb auf der Um- und Durchsetzung bereits existierende Gesetzgebung sowie der Überarbeitung und Anpassung liegen.
7. Wettbewerbsfähigkeit stärken und Standortnachteile beseitigen
Damit die Wirtschaft in Europa ihr volles Potenzial entfalten kann, braucht sie mehr Spielraum beim Aufbau neuer digitaler Geschäftsmodelle. Dazu zählen auch der unbürokratische Ausbau digitaler Infrastrukturen, eine echte digitale Verwaltung sowie Bildungs- und Weiterbildungsmaßnahmen. Ersteres umfasst den Zugang zu Ressourcen. Mehr Spielraum entsteht auch durch Experimentierräume, die durch EU-weite Förderprojekte für Start-ups und Unternehmen mit digitalen Geschäftsmodellen gestärkt werden sollten. Damit diese erfolgreich sind, darf die Basis – eine funktionierende Netzinfrastruktur – nicht fehlen. Derzeit existieren erhebliche Engpässe bei der Finanzierung des Ausbaus von 5G- und 6G-Netzen. Eine weitere elementare Voraussetzung ist die digitale Verwaltung. Nicht-digitalisierte Verwaltungsverfahren führen zu erheblichen Mehrkosten für Unternehmen und bedeuten einen großen Bürokratieaufwand. Die Verwaltung der Europäischen Union sollte hier als ‚Best Practice‘ mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Leistungen digital denken und auf den neuesten Stand bringen. Hier könnte mit dem AI-Office ein Paradebeispiel aufgebaut werden. So können Reformen in den Mitgliedsstaaten und ihren entsprechenden Regionen besser eingefordert werden. Abschließend ist anzumerken, dass insbesondere in der Digitalen Wirtschaft Arbeits- und Fachkräfte fehlen. Dies ist längst zu einem zentralen Standortrisiko und Wachstumshemmnis der europäischen Wirtschaft geworden. Um das Problem zu beheben, braucht es gesamteuropäische Programme und Bildungsoffensiven, damit der Auf- und Ausbau von Kompetenzen zur Entwicklung und zum Betrieb von digitalen Anwendungen vorangetrieben werden kann.