BVDW zum Digital Services Act: Rechtsunsicherheit für digitale Wirtschaft könnte sich erheblich verstärken
Der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. sieht die nun in seiner Plenarsitzung angenommene finale Positionierung des Europäischen Parlaments zum Digital Services Act (DSA) in wesentlichen Punkten sehr kritisch. Denn: Der von der EU-Kommission eingeschlagene Weg der Transparenz- sowie Sorgfaltspflichten wurde zweckwidrig deutlich erweitert. Die Europaabgeordneten schaffen damit insbesondere Rechtsunsicherheiten im Bereich des Daten- und Privatsphärenschutzes. „Der Digital Services Act ist das Auffangbecken für ausnahmslos alle digitalen Regulierungsprojekte geworden, die manche Abgeordnete seit Jahren mit unterschiedlichem Erfolg beschäftigen. Die tatsächliche Zielsetzung der Verordnung geht damit an dieser Stelle verloren“, bemängelt BVDW-Vizepräsident Thomas Duhr.
Der Vorschlag der EU-Kommission zu einem Gesetz zu digitalen Diensten vom Dezember 2020, den der BVDW weiterhin grundsätzlich begrüßt, konzentrierte sich vorrangig auf die Bekämpfung illegaler Inhalte im Netz und die Verbesserung der Grundprinzipien der E-Commerce-Richtlinie. Es ging der Kommission um ein einheitliches „Melde- und Abhilfeverfahren“ zur Löschung und Sperrung dieser Inhalte, damit Verbraucher besser geschützt sind und auch eine Verbesserung von Transparenz und Sorgfaltspflichten gewährleistet werden kann: Eine sinnvolle Auseinandersetzung, die zwanzig Jahre nach Einführung der E-Commerce-Richtlinie und der technologischen Weiterentwicklung wichtig war und nach wie vor ist.
Im Europäischen Parlament haben sich allerdings viele Abgeordnete verschiedensten Themen gewidmet, die sie unbedingt reguliert sehen möchten, und haben damit den Regelungsbereich über Gebühr ausgedehnt. So wurden beispielsweise von Anfang an strikte Regeln zum Thema Online-Advertising diskutiert. Auch der BVDW ist der Ansicht, dass das System über mehr Transparenz im Bereich Online-Advertising noch verbessert werden kann. Allerdings sind die angenommenen Änderungen des Parlaments so weitreichend, dass sie wesentliche Kernfunktionen in der digitalen Wirtschaft massiv beschädigen. Die Änderungen zielen zwar auf die sogenannten großen Online-Plattformen ab, betreffen jedoch faktisch die gesamte Wirtschaft und insbesondere auch kleine und mittelständische Unternehmen.
Der BVDW hatte im Vorfeld vier Aspekte für die Plenarabstimmung hervorgehoben: die Begrenzung des Risikos von Inkonsistenzen und Überschneidungen zwischen dem DSA und der sonstigen europäischen Gesetzgebung, insbesondere der DSGVO und ePrivacy-Richtlinie, die Bewertung der praktischen Umsetzung der Transparenzverpflichtungen sowie den tatsächlichen Nutzen für den Endnutzer, die Streichung von Artikel 13a („Vorgaben zur Gestaltung der Nutzeransprache“) zur Vermeidung von Kollateralschäden für die Industrie sowie europäische Bürger und die Entschärfung von Umsetzungs- und Haftungsfragen in Bezug auf die gezielte Ansprache von Minderjährigen zu kommerziellen Zwecken.
Es sind nun allerdings ausnahmslos all diese restriktiven Forderungen zur Nutzeransprache in die Parlamentsposition eingeflossen. Es handelt sich dabei um Regelungen zum Design und zur Organisation von Online-Interfaces, die massiv über die Anforderungen der bereits strikten Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) und ePrivacy-Richtlinie hinausgehen. „Die Parlamentsposition setzt sich über die bestehende Spezialgesetzgebung zur Datenverarbeitung hinweg und führt indirekt eine neue Definition der Einwilligung samt Vorgaben für ihre Einholung ein. Ein damit einhergehendes digitalpolitisches Flickwerk würde nicht nur Rechtsunsicherheit fördern, sondern auch die digitale Wirtschaft schwächen“, erläutert BVDW-Vizepräsident Dr. Moritz Holzgraefe.
Der BVDW erkennt an und begrüßt, dass viele Abgeordnete auch im Sinne der Kommission und des Rates entschieden und die Transparenzvorschriften gestärkt haben. Allerdings führt die Positionierung in diesem Zusammenhang auch ein Verbot des „Targeting“ gegenüber Minderjährigen ein, das in der Praxis kaum umsetzbar ist. „Die meisten Online-Plattformen können eben nicht nachvollziehen, wer vor dem Endgerät sitzt. Die Forderung könnte somit ein pauschales Verbot personalisierter Werbung durch die Hintertür zur Folge haben und muss dringend im Trilog angepasst werden“, konkretisiert Holzgraefe weiter. Auch der Ministerrat möchte richtigerweise Kinder und Jugendliche schützen, hat dafür allerdings Maßnahmen vorgeschlagen, die in angemessenem Verhältnis zu den technischen Gegebenheiten digitaler Welten stehen.
Die genannten Punkte müssen nach Auffassung des BVDW dringend in den Trilog-Verhandlungen geklärt werden. Nur ein ausgewogener Digital Services Act (DSA) bringt allen Beteiligten den gewünschten Fortschritt.