Mittelstand fordert Lösungsoption für das Nachfolgeproblem
Fast 600.000 Nachfolgen stehen laut KfW im Mittelstand an – doch es fehlt an Nachfolger:innen. Nur noch weniger als die Hälfte gelingt in der Familie. Eine neue Rechtsform für sogenanntes „gebundenes Vermögen“ könnte Abhilfe schaffen.
Dabei würden Anteile zum Nennwert weitergegeben – nicht notgedrungen an genetisch Verwandte, sondern innerhalb einer Art „Werte- und Fähigkeiten-Familie“. Das Vorhaben steht im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien. Nun fordern 22 Wirtschaftsverbände des Landes in einem gemeinsamen Papier die baldige Einführung der Rechtsform und umreißen klare Eckpunkte.
Die Verbände, die insgesamt für mindestens 100.000 Mitglieder sprechen, begrüßen, dass die Bundesregierung das Thema angehen will. Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es: „Fu?r Unternehmen mit gebundenem Vermo?gen wollen wir eine neue geeignete Rechtsgrundlage schaffen, die Steuersparkonstruktionen ausschließt.“ Das könne nur die Einführung einer Gesellschaft mit gebundenem Vermögen leisten, eine GmgV, so die Verbände. Die Herausforderung sei nur dann geschafft, „wenn eine unbürokratische, einfache Lösung, eine eigenständige Rechtsform etabliert wird, die von Unternehmern ohne große Beratung umgesetzt werden kann“, heißt es in dem heute veröffentlichten Papier.
Neue Lösungsoption für das drängende Nachfolge-Problem
Insbesondere für das drängende Nachfolge-Problem im deutschen Mittelstand verspricht eine eigenständige neue Rechtsform Abhilfe. Wie kürzlich u.a. die Tagesschau berichtete, stehen laut KfW aktuell 560.000 Nachfolgen an. Nur noch weniger als die Hälfte davon gelingt in der Familie, 190.000 drohen zu scheitern. Diesen droht laut KfW die Auflösung. Oftmals auch deshalb, weil ein Verkauf an den privaten Vermögensverhältnissen fähiger Nachfolger scheitert. Die GmgV böte Unternehmen die Möglichkeit, den Pool potenzieller Nachfolger erheblich zu erweitern und die Unternehmensnachfolge unabhängig von der genetischen Familie oder der individuellen Vermögenslage zu gestalten, indem Anteile zum Nennwert weitergegeben würden und nicht vererbbar wären. Schon vor zwei Jahren hatte eine repräsentative Allensbach-Umfrage ergeben, dass fast drei Viertel (72 %) der Familienunternehmen in Deutschland eine solche Rechtsform begrüßen würden.
Auch für nicht-Exit-orientierte Start-ups sowie Sozialunternehmen böte die GmgV mehr Gestaltungsfreiheit, Unternehmen unabhängig und wirtschaftlich nachhaltig aufzubauen, indem Gewinne rechtsverbindlich im Unternehmen verbleiben und seiner Entwicklung dienen.
Start-ups, Digitalwirtschaft, Mittelständler ziehen an einem Strang
Dass eine solche Rechtsform für Unternehmen unterschiedlichster Branchen und Größen relevant ist, zeigt die Diversität der Unterzeichnenden: vom Bundesverband für mittelständische Wirtschaft BVMW und den Verband deutscher Unternehmerinnen über deutschen Start-up-Verband, den Digitalverband BVDW und das Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland SEND bis hin zum Blockchain-Verband oder auch Landwirtschafts- und ersten IHK-Verbänden. Es wird erwartet, dass weitere Verbände sich anschließen.
Aus Sicht der Verbände ist der Bedarf an einer neuen Rechtsform vor allem in drei Unternehmensgruppen besonders hoch: im Mittelstand, bei nicht-Exit-orientierten Start-ups sowie in Sozialunternehmen.
Kernelemente einer „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“
Die Verbände umreißen vier Eckpunkte, die ihrer Meinung nach für eine neue Rechtsform unabdinglich sind: 1) eine „unabänderliche Vermögensbindung“, 2) ein „aktives Gesellschafterverständnis“ und die Weitergabe der Anteile zum Nennwert, 3) eine Offenheit für jedwede unternehmerischen Zielsetzungen und Zwecke sowie 4) die „bestmögliche Absicherung“ der Vermögensbindung mithilfe eines Aufsichtsverbands.
Vor allem Vermögensbindung, Aufsichtsverband und die Weitergabe zum Nennwert machen die Einführung einer eigenständigen neuen Rechtsform erforderlich. Eine Eingliederung in bestehende Rechtsformen, beispielsweise im GmbH-Recht, würde dem Bedarf nicht ausreichend Rechnung tragen.
Kein Steuersparmodell
Zudem sei die Rechtsformsteuerrechtlich genauso zu behandeln wie alle anderen Rechtsform und dürfe keinesfalls als Steuersparmodell missbraucht werden können. „Die GmgV würde den Kanon der Rechtsformen ergänzen, keine andere Rechtsform ersetzen oder schlechter stellen.“ Sie fungiere dann als eine wichtige Option zur Stärkung der Vielfalt, des Wettbewerbs und der Innovationskraft.
„Wir sehen in der im Koalitionsvertrag der Bundesregierung geplanten neuen Rechtsform, der Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmgV), eine große Chance für die Soziale Marktwirtschaft, für die Stärkung unabhängiger Unternehmen und damit für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, heißt es in dem Papier.