Europäische Datenschützer überschreiten Kompetenzen bei „Pay or Consent“-Guideline

News, 20.11.2024

Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) beschäftigt sich derzeit mit „Pay or Consent“-Modellen und arbeitet an einer europaweiten Guideline, die den Gesamtmarkt betreffen wird. Am 18. November fand dazu ein virtuelles Stakeholder-Event statt.

Der EDSA hat ein Diskussionspapier zu dieser Guideline veröffentlicht, das mehrere Themenbereiche umfasst. Besonders brisant: Der Ausschuss plant, „Pay or Consent“-Modelle um eine „dritte Option“ zu erweitern. Diese dritte Option soll weder eine Verarbeitung von Daten noch eine monetäre Gegenleistung erfordern. Zusätzlich möchte der EDSA festlegen, wie hoch die Kosten für die Bezahloption maximal sein dürfen. Diese Vorhaben gehen jedoch über die Kompetenzen des Ausschusses hinaus, da weder die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) noch die ePrivacy-Richtlinie eine Grundlage für solch weitreichende Regelungen bieten.

Sollte der EDSA diesen Ansatz weiterverfolgen, könnte dies erhebliche Konsequenzen für die Refinanzierung digitaler Dienste haben. Betroffen wären nicht nur Anbieter digitaler Inhalte und Dienste, sondern auch Werbetreibende, das digitale Ökosystem insgesamt und schlussendlich auch und vor allem die Verbraucher*innen. Ohne tragfähige Refinanzierungsmodelle könnten digitale Inhalte hinter Bezahlschranken verschwinden oder sogar gänzlich vom Markt gedrängt werden.

Das Interesse am Stakeholder-Event war entsprechend groß: Über 200 Fachleute, darunter auch der Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e. V. und einige seiner Mitglieder, beteiligten sich. Mit 40 Personen pro Gruppe blieb jedoch kaum Raum für eine fundierte Auseinandersetzung mit den Themen – angesichts der Tragweite des Vorhabens ein ungewöhnlicher Umstand.

Weitere Beteiligungsmöglichkeiten sind vom EDSA nicht vorgesehen. Auch dies ist bemerkenswert. Für digitale Diensteanbieter, Werbetreibende und die digitale Wirtschaft bleibt daher nur abzuwarten, bis die Guideline Anfang des kommenden Jahres veröffentlicht wird. Dann wird sich zeigen, ob pragmatische Vernunft obsiegt oder ob unter dem Deckmantel des Datenschutzes digitale Geschäftsmodelle grundlegend verändert werden. Sollte der EDSA versuchen, indirekt neue Regelungen zu schaffen, anstatt bestehendes Recht anzuwenden, wäre dies ein gravierender Eingriff in die Gewaltenteilung.

Zum Hintergrund

„Pay or Consent“-Modelle sind eine von mehreren Möglichkeiten zur Refinanzierung digitaler Dienste. Sie basieren auf dem Grundgedanken des Internets, der freien Zugänglichkeit zu Inhalten, und ermöglichen gleichzeitig eine echte Refinanzierungsmöglichkeit. Nutzer*innen können zwischen einer kostenlosen Option mit datenbasierter Werbung und einer kostenpflichtigen, trackingfreien Variante wählen. Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit solcher Modelle wurde bereits von der deutschen Datenschutzkonferenz (DSK), anderen nationalen Aufsichtsbehörden und dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bestätigt.